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never stop

Nordamerika / Mexico

Eiszeit im Sommer

07.06. – 24.06.2022

Die Wettervorhersage für Valdez ist grandios und so buchen wir zusammen mit Tanja und Thomas eine Schifffahrt auf der LuLuBelle. Lustigerweise haben auch Heather, Jon und Ivan unabhängig von uns die Tour gebucht und so gehen wir zu siebt auf Kreuzfahrt. Kapitän Fred ist ein echtes Original, hat sein Schiff selbst gebaut und steuert es mit einer unglaublichen Präzision. Leider erklärt er auch die ganze Zeit die Dinge um uns herum, was am Anfang durchaus spannend, da auch gut gemacht ist. Im Laufe der Zeit verbreitet er dabei jedoch auch alternative Wahrheiten, was irgendwann nervig wird. Wir cruisen hinaus in den Prince William Sound und starren begeistert auf unseren ersten Eisberg, der hier ganz alleine herumschwimmt. Zudem sehen wir Seeotter, Seelöwen, Puffins und sogar zwei Humpback Wale. Zum begehrten Foto mit Schwanzflosse lassen sich die beiden aber nicht überreden. Und dann wird es spektakulär – Kapitän Fred bringt uns direkt vor die Abbruchkante des Columbia Glacier, ein Tidal Gletscher, dessen Zunge also ins Meer reicht. Ehe wir uns versehen sind wir mitten umgeben von Eismassen und lauschen gebannt dem Knacken und Grummeln des Gletschers und können auch ein paar kleinere Eisabbrüche sehen. Etwa 13 Tonnen davon fallen jeden Tag ins Meer. Bestimmt eineinhalb Stunden verbringen wir in dieser beeindruckenden Kulisse, ehe Fred uns zurück nach Valdez bringt. Dabei dauert die Rückfahrt viel länger als gedacht – das Treibeis wird von aufkommenden Winden und den Gezeiten zurück in die Bucht gedrückt und wir fühlen uns wie auf der Titanic. Doch Fred bleibt cool und steuert das Schiff durch jede noch so kleine Lücke – wir vermuten er war vielleicht selbst beim Untergang der Titanic dabei?! Erst um halb 10 Uhr abends sind wir zurück, total berauscht von diesem tollen Erlebnis. Ein riesiger Punkt auf unserer „Alaska-to-do-Liste“ ist abgehakt – einmal einen kalbenden Gletscher aus nächster Nähe sehen.

Valdez selbst gefällt uns sehr, sehr gut. Der Ort hat großen Charme, auch wenn die Einwohner in kurzer Zeit zwei schwere Schicksalsschläge hinnehmen mussten. Erst zerstörte im Jahr 1964 ein Seebeben und der darauffolgende Tsunami den Ort so schwer, dass dieser 5 Kilometer weiter komplett neu aufgebaut werden musste. Und dann lief 1989 der Tanker Exxon Valdez vor der Küste auf Grund. Unvorstellbare 41 Millionen Liter Rohöl flossen in die Bucht und lösten eine der schlimmsten Umweltkatastrophen der USA aus. Sogar heute noch fühlt man der Ölindustrie schwer auf den Zahn – jeder einlaufende Tanker (in Valdez endet die Alaska Pipeline) wird von der Navy und von einer privaten Organisation begleitet, damit ein solches Unglück nicht noch einmal passieren kann. Zumindest nicht in Valdez.

Am kleinen Hafen beobachten wir professionelle Fischzerleger bei ihrer Arbeit. Vor unseren Augen wird ein Heilbutt mit unfassbaren 150 Pfund filetiert. Die Reste bekommen die fliegenden Bewohner des Hafens – Bald Eagles und Golden Eagles fressen sich satt. Doch Valdez hat noch mehr zu bieten – von einem sehr netten österreichischen Paar bekommen wir den Tipp auf dem Valdez Glacier Lake zu paddeln. Und das machen wir auch gleich am nächsten Tag und sind begeistert. Wir können bis zum Fuß des Gletschers paddeln und entdecken viele kleine und größere, strahlendblaue Eishöhlen. Auf dem Rückweg ist Navigationsgeschick gefragt, aber wir waren ja bei Kapitän Fred in der Lehre: Durch die treibenden Eisschollen ist nicht jeder Durchschlupf mehr vorhanden und wir müssen alternative Wege finden und die ein oder andere Eisbarriere beiseiteschieben. Das hat uns sehr großen Spaß gemacht und wir sind sehr froh, dass wir unser Kanu den weiten Weg bis nach Alaska mitgeschleppt haben.

Nach 5 Nächten verlassen wir Valdez und ziehen nordwärts um Sandie und Karsten zu treffen. Unsere Reiserouten kreuzen sich mal wieder und die Chance auf ein Wiedersehen lassen wir uns nicht entgehen. Wir verbringen einen superschönen, launigen Abend mit gutem Essen und Kasis leckerem selbstgemachten Gin und bis wir gucken ist es halb 1 und damit Zeit fürs Bett. Leider trennen sich unsere Wege am nächsten Tag schon wieder – für die beiden geht’s nach Süden, wir fahren noch weiter in den Westen. Zwei schöne Tage verbringen wir am Matanuska River und nutzen die Gelegenheit um unsere Reifen mal wieder durchzutauschen.

Anchorage, die größte Stadt Alaskas nutzen wir diesmal nur um zu tanken und ein bisschen einzukaufen, erst auf dem Rückweg wollen wir Bevorraten für die Weiterreise. So fahren wir spätnachmittags den Turnagain Arm entlang und wundern uns über die vollbesetzten Parkplätze und all die Menschen mit Kameras im Anschlag. Wir halten an und sind gerade rechtzeitig, um die einlaufende Flut zu sehen, die in diesem Meeresarm aufgrund des gewaltigen Tidenhubs von 11 Metern eine sog. Tidal Wave auslöst. So ein Zufall. Unser eigentliches Ziel ist die Küstenstadt Seward an der Resurrection Bay. Wir erreichen sie nach einer schönen Fahrt über die Kenai Mountains.  Wir parken den Dicken „Downtown“ und schlendern entlang der Küste zum Hafen und zurück durch die Innenstadt. Die Stadt begegnet der Camperflut angemessen – 40! Dollar kostet eine Nacht dicht an dicht entlang der Uferstraße. Mehr als 500 Plätze gibt es und wir erkennen an der Zahl der belegten Spots dass die Saison schön langsam beginnt. Nichts für uns, wir fahren nur ein paar Kilometer weiter und finden an der Exit Glacier Road im Flussbett des Resurrection River ein sehr schönes und kostenfreies Plätzchen. Der Ausgangspunkt könnte nicht besser sein, so können wir den Exit Glacier am nächsten Tag aus der Nähe sehen. Ein inoffizieller Weg bringt uns vom View Point über felsiges Terrain direkt ans Eis. Großartig, die Gletscher begeistern uns jedes Mal aufs Neue. Die weitere Fahrt entlang des Sterling Highway nach Homer sparen wir uns, wir sind bereits ziemlich fahrmüde und so machen wir nur noch einen kurzen Abstecher nach Hope, gabeln dort Tanja und Thomas wieder auf und machen uns auf dem Weg zurück nach Anchorage. Unterwegs vertreten wir uns noch die Beine auf dem Blue Ice Trail bevor wir uns ins Einkaufgetümmel stürzen. Gefühlt plündern wir Costco und Walmart, schließlich wollen wir wieder einige Zeit mit den Vorräten zurechtkommen.

Abends gibt’s ein großes Hallo auf dem Parkplatz von Cabelas, einem großen Outdoorladen, der das Übernachten auf dem Gelände erlaubt  – welch schöne Gelegenheit unsere Reisefreunde wieder zu treffen. Die Nacht ist sehr ruhig und am nächsten Morgen brechen wir auf um die Independence Gold Mine zu besichtigen. Wir haben Glück, das Gelände ist erst seit kurzem geöffnet und schneefrei. Leider sind die Gebäude überwiegend in schlechtem Zustand, die Gesteinsmühle ist komplett zusammengebrochen. Das Vorgehen der ehemaligen Minenbetreiber, das Land und die verbliebenen Güter dem Staat zu schenken, nachdem man damit nichts mehr anfangen kann, erscheint uns sehr zweifelhaft. Entledigt man sich damit doch jeglicher Verantwortung, auch der Schadstoffe, die unzweifelhaft im Boden schlummern. Mögen uns die Informationstafeln zwar weismachen, dass so giftige Stoffe wie Quecksilber „recycelt“ und wiederverwendet wurden, so recht dran glauben wollen wir nicht.

Die Nacht verbringen wir auf einem Trailheadparkplatz und noch vorm Frühstück sind wir am nächsten Morgen auch schon oben auf dem Marmot Peak. Endlich mal wieder Gipfelglück! Leider ist die Hatcher Paßstraße noch geschlossen und die Bauarbeiter, die mit der Wiederherstellung der Schotterpiste beschäftigt sind, machen uns keine Hoffnung dass wir das Aussitzen können. Fast 7 Meter Schnee haben ihre Spuren hinterlassen. So bleibt uns nur der Abschied von Tanja und Thomas, für die beiden geht es zurück in die Lower 48. So schön und intensiv Reisefreundschaften sind, an die Abschiede werden wir uns wohl nie gewöhnen. Ihr beiden, ganz herzlichen Dank für die tolle Zeit, die tiefgehenden Gespräche und jede Menge Spaß den wir zusammen hatten – wir sehen uns im Herbst in Oregon!

Wieder alleine nehmen wir Kurs auf die Nancy Lakes Seenplatte und den South Rolly Campground. Mit 28 Grad kommt der Sommer nach Alaska und dazu passend ergattern wir einen tollen Spot direkt am See. Wir packen das Kanu wieder aus und wagen uns auf die Lynx Lake Loop Rundtour. Fast 6 Stunden und 8 Meilen später sind wir zurück und sehr geschafft. Leider beinhaltete die Tour sehr viele, elendlange Tragepassagen und das Kanu durch dichten, mückenverseuchten Wald zu schleppen, macht nur bedingt Spaß. Völlig zerstochen und kaputt springen wir am Endpunkt in den kühlen See – das Feierabendbier hat dafür aber besonders gut geschmeckt. Auf den anstrengenden Tag folgt eine ziemlich blöde Nacht. Die Mückensaison ist nun endgültig da und viel zu viele Plagegeister schaffen es in den Dicken, sie finden jede noch so kleine Ritze und Lücken, von denen wir nicht mal wussten dass wir sie haben. So verbringen wir fast 3 Tage an unterschiedlichen Stellplätzen um alles abzudichten. Ein gehässiger Gruß geht an die Macher der Seitzfenster – wir wünschen euch auch mal eine Nacht mit euren sehr mückenfreundlichen Fabrikaten!!! Wie kann man nur so einen Mist konstruieren? Aber wir haben auch diese Herausforderung gemeistert und können den Mücken nun auch bei geöffnetem Fenster von innen zuwinken!

5 Gedanken zu „Eiszeit im Sommer

  • Ulrich Eicher

    Hallo ihr Lieben, ganz großartig diese Gletscherwelt zu sehen. Da ist Alaska wohl einmalig.
    Vielen lieben Dank!
    Grüße aus Baden
    Uli und Brigitte

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  • Da Babb

    Wie immer, faszinierende Eindrücke eurer Reise. Weiter viel Spaß bis zum Wiedersehen.

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  • Sandra und Martin

    Großartig geschrieben ihr Lieben! Ganz schön mutig mit dem Gummikanu den Gletscher-See zu erkunden. Das hätten wir uns nicht getraut. Wahnsinnig schöne Bilder die uns hier und da an Norwegen erinnern. Mögen die Mücken immer so groß bleiben, dass sie von Fliegenfenstern abgehalten werden :-)!

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    • MuP_509

      Euer Wort in Gottes Ohr – die Mücken heute sind etwa so groß wie Kolibris 😉

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  • Ganz tolle Bilder! Wirklich supper toll. Ihr braucht ein Mückennetz für übers Bett. Wir hatten eins vor unserer Afrikareise gekauft. Ist immer besser wenn man sein eigenes hat.

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